Bildergeschichten: Stockholm im Regen

Jeden Tag werden alleine auf Instagram ca. 95 Millionen Fotos hochgeladen und bekommen teilweise nur Millisekunden Aufmerksamkeit.

Zeit, auch mal wieder einzelnen Bildern mehr Raum zu geben. Den Raum, den der Moment, der darauf festgehalten ist, verdient hat.

Datum: 07. August 2021
Location: Stockholm Fotografiska
Aufnahme: 40mm | f6,3 | 1/40 Sek | ISO 6400

“Stockholm im Regen” ist das Foto, welches mich zu dieser Serie “Bildergeschichten” inspiriert hat. Denn von dem Moment in Stockholm, wo ich auf den Auslöser gedrückt habe, bis zum fertigen Foto verging eine ganze Weile. Sogar ein paar Jahre um genau zu sein. Somit ist “Stockholm im Regen” auch der perfekte, würdige Auftakt für diese Rubrik über Bilder, die es mir einfach wert sind, sie nicht in der Masse untergehen zu lassen.

Wann und wo.

Es war im August 2021, irgendwie mitten in im Corona Chaos. Wenn man auf Reisen nicht verzichten wollte, musste man ganz schön kreativ werden, Nachrichten schauen, sich informieren, ein bisschen mutig sein und vor allem spontan. Versteh mich nicht falsch: mir ist schon klar, dass es während Corona größere Probleme gab als die Frage, wie komme ich wieder in den Urlaub. Aber eben auch diese Frage wollte gelöst werden.

So kam es, dass ich auf meiner ersten Kreuzfahrt gelandet bin.
Und seien wir ehrlich: nicht lange vorher hätte ich Dich ausgelacht, wenn Du mir das vorhergesagt hättest. Aber diese Kreuzfahrt war einfach dermaßen richtig, dass es der Beginn einer vollkommen neuen Leidenschaft wurde. Aber keine Sorge: kein Grund, diesen Blog in “Cruisetripping” umzubenennen.

Aber auf alle Fälle erinnert mich dieses Bild immer wieder an dieses erste Erlebnis auf einem Kreuzfahrtschiff im August 2021 in Stockholm.

Stockholm war einer der Häfen dieser Ostseekreuzfahrt und definitiv für mich eines der Vorfreude-Highlights. Ich war zuvor noch nie in Stockholm und war vor allem begeistert, dass wir hier über Nacht bleiben würden. So war der Entschluss schnell gefasst: wir spazieren nach dem Abendessen in die Stadt und holen uns unsere ersten Stockholm Eindrücke ab.

Nun, so gut die Idee war, so schlecht wurde das Wetter. Und als wir das Schiff mutig zu Fuß verließen, um trotzdem unbeirrt den Weg ins Stockholmer Nachtleben anzutreten, fielen bereits Wasserfälle vom Himmel.

Nun können meine Freundin und ich beide ziemlich dickköpfig sein, so dass wir ziemlich sicher waren, der Weg in die Stadt wäre trotzdem eine ganz hervorragende Idee. War es nicht.

Als wir am Cruise-Terminal startend die ersten paar hundert Meter hinter uns gebracht hatten, lief das Wasser bereits an der Innenseite der Hosenbeine in die Schuhe, die Haare klebten klatschnass am Kopf und meine Brille ließ keinen Blick mehr zu. Wir retteten uns bis zu der Außenüberdachung des “Fotografiska”, dem Fotografiemuseum am Stockholmer Hafen - die Stockholmer Innenstadt prinzipiell nur noch einige hundert Meter von uns entfernt, aber mit Blick auf das Wetter de facto ziemlich unerreichbar.

Das Fotografiska ist ein Fotomuseum in einem alten, interessantem Zollhaus im Stockholmer Hafenkomplex. Es ist ein privat finanziertes Museum ohne staatliche Unterstützung und gilt als das wichtigste Museum zeitgenössischer Fotografie. Dabei werden sowohl große Werke berühmter Fotograf:innen gezeigt, als auch unbekannten Künstlern Raum geboten. Das Fotografiska hat mehrere Zweigstellen weltweit und ist für Foto-Enthusiasten definitiv einen Besuch wert.

Kein Wasser in der Linse.

Es wurde schnell klar, dass wir unser Vorhaben hier abbrechen werden müssten. Aber der Blick, der sich hier vom Fotografiska in Richtung Stockholmer Innenstadt auftat ließ mich eine ganze Weile nicht los. Deswegen kramte ich meine Kamera aus dem Rucksack, nahm erleichtert zur Kenntnis, dass sie noch komplett trocken geblieben war. Irgendwann mal den Regen aus der Linse zu kippen gehört zu den Dingen, die ich nicht unbedingt erleben möchte. Wer dazu etwa lesen möchte: am Reynisfjara Strand (“Black Sand Beach”) auf Island war es dann doch einmal etwas zu viel Wasser für die Kamera. ;-)

Und so begann der Versuch, die die vor mir liegende Szenerie in diesen denkbar schlechtesten Bedingungen einzufangen: es regnete in Strömen, es war dunkel, ich hatte kein Stativ, meine Freundin hatte einen nicht zu leugnenden Drang, schnellstmöglich wieder zurück zum Schiff zu kommen. Aber ich hatte ein Bild vor meinem inneren Auge. Das Bild, wie dieser Moment, wie diese Nacht aussehen sollte, wenn ich die Bilder nach dem Urlaub nach meinen Vorstellungen entwickeln würde. So begann ein Wechselspiel zwischen Brille trocken reiben, Hände abtrocknen, Kamera trocken halten, Blickwinkel suchen und finden, mit den Einstellungen experimentieren und das alles wieder von Vorne. Bevor Du fragst: ein Video davon gibt es nicht…

Was diese Nacht anging, so war diese anschließend mit dem Rückweg zum Schiff nass und leicht frustriert beendet. An einen Ausflug in die Stadt war nicht zu denken. Es ging nur noch darum, die Klamotten wieder zu trocknen, keine Erkältung als Andenken einzupacken und sich auf den nächsten Tag zu freuen, welcher - ohne zu viel zu spoilern - aus einer Fahrradtour durch das verregnete Stockholm bestand.

Der Kampf um das fertige Bild.

Irgendwann endet jeder Urlaub. Auch meine erste Kreuzfahrt endete nach viel zu wenig Tagen wieder in Kiel, wo sie auch begonnen hatte und das Bild von Stockholm im Regen teilte zunächst das Schicksal vieler anderer Fotos: es landete auf der Festplatte und wurde eine ganze Weile nicht mehr beachtet. Welcher ambitionierte Hobby-Fotograf kennt dieses Problem nicht? Nach dem Urlaub ist der Alltag ganz fix wieder da, hunderte von Fotos schlummern auf Festplatte oder SD-Karte und man findet einfach nicht mehr die Zeit oder Motivation, um sich ganz in Ruhe damit zu beschäftigen.

Bei “Stockholm im Regen” kam noch ein Problem dazu: ich hatte zwar eine sehr genaue Vorstellung, wie das fertige Bild aussehen sollte, aber keine Ahnung, wie ich zu diesem Ergebnis kommen könnte. Meine Lightroom Kenntnisse brachten mich hier nicht weiter, wertige Presets sind nicht meine Welt und somit wurde das Foto zwar dutzende Male angepackt, aber ebenso oft wieder vollkommen unverändert geschlossen.

Es dauerte ganze zwei Jahre, bis ich eines Tages Lust und Zeit hatte mich bei YouTube durch diverse Lightroom Tutorials zu klicken und urplötzlich auf die perfekte Idee traf bei der ich sofort mein Foto von Stockholm im Regen vor Augen hatte und mich direkt ans Werk machte.

Ich erspare Dir hier an dieser Stelle die Details über die genaue Anzahl der Versionen, die es brauchte, bis ich endlich das Gefühl hatte, zufrieden zu sein. Und auch heute noch muss ich mich anstrengen, um nicht bei dem Betrachten wieder irgendein Detail zu verändern. Zum Glück weiß ich, dass dies eine ziemlich verbreitete Krankheit unter Hobby-Fotografen ist…

Der Knote löste sich genau in dem Moment, als mir klar wurde, wem das Ergebnis gefallen sollte: mir!
Als ich aufhörte mir darüber Gedanken zu machen, was andere über das Bild denken oder sagen würden, als ich damit aufhörte mir über Instagram Likes oder Stile anderer (Hobby)-Fotografen Gedanken zu machen und als ich endlich aufhörte mein Bild mit anderen zu vergleichen, da lief alles plötzlich wie von alleine.

Ich will ehrlich sein: auch heute noch erwische ich mich bei jedem Öffnen der Datei ganz kurz dabei, ob es nicht doch noch eine winzige Kleinigkeit zu verändern gäbe. Um dieses Problem zu lösen kursieren mehrere Tipps. Einer ist, einfach an einem bestimmten Punkt die RAW-Datei zu löschen. Ich gebe zu, eine Vorstellung, die sich für mich persönlich noch eine Spur zu radikal anfühlt. Eine zweite Idee ist, das Bild für einen Fotowettbewerb anzumelden, damit man eine klare Abgabefrist hat. Nun, ich habe mich für eine dritte Variante entschieden und das Bild an einem Punkt auf Alu-Dibond drucken lassen und an eine Wand in meiner Wohnung gehängt. Dort hängt es nun exakt so, wie ich es vor Augen hatte und macht mich ein kleines bisschen glücklich.

Übrigens schaust Du auf ein Bild ohne jede KI in den Pixeln. Das gleiche gilt auch für den Text, den Du gerade gelesen hast. Mehr dazu verrate ich Dir in meinem KI-Statement hier auf meiner Seite.

Andreas (Rocktripping)

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